Auf den Spuren von Bach in Thüringen
(berichtet von Hans Wilhelm von Wangenheim und - ab Samstag - Ebo Riehm)
Wieder war es ein unvergessliches Ereignis in unserem Leben als ehemalige Singalumnen: das „Singalumnats-Treffen 2010“ in Mühlhausen – perfekt vorbereitet und umsichtig geführt von Jürg Wieber – und wieder war es wunderschön! → Fotos Bachreise 2010
Am Mittwoch, dem 2. Juni, füllte sich abends– relativ pünktlich – der Speiseraum des Hotels Mirage am Rande der Innenstadt, mit den obligaten Wiedersehensausrufen und einem guten Abendessen vom Buffet. Übermittelt wurden die Grüße von Olaf Wihstutz, Franz Kuhlmann, Dieter Wenk, Christian von Meltzer und Gunther Pfeiffer, die aus gesundheitlichen Gründen zu ihrem Leidwesen und zu unserem Bedauern nicht an dem Treffen teilnehmen konnten. Der Abend fand sein „offizielles“ Ende nicht ohne Luthers Abendsegen,wie immer gelesen von Bitzi Solms, unserem Ehrenpräsidenten. Danach gab es – in der Nähe der Bar – noch lange Unterhaltung in Gruppen und Grüppchen oder in intensivem Zweiergespräch bis zum endgültigen Abschmelzen des letzten „harten Kerns“.
Am Donnerstag, nach dem Frühstück, pünktliche Abfahrt im gecharterten Bus in Richtung Eisenach über die einzige Straße durch den Nationalpark Hainich, das größte zusammenhängende Buchenwaldgebiet Deutschlands. Das strahlende Sommerwetter ließ den Wald im lichten, noch jungen Grün leuchten – eine einmalig schöne Fahrt!
Nachdem Inselsberg und Wartburg am Horizont erschienen, ging es, wegen diverser Umleitungen auf Umwegen, zum „Bachhaus“, in dem Johann Sebastian Bach möglicherweise geboren wurde. Schon seit über hundert Jahren fungierte es als ein hübsches, etwas betuliches Museum, in den letzten Jahren wurde es durch einen städtebaulich umstrittenen, funktional aber sehr gelungenen modernen Anbau erweitert, der auch heutigen museumspädagogischen Ansprüchen genügt. Im alten Teil erlebten wir eine Vorführung alter Tasteninstrumente, mit Werner Martins fachlich überzeugenden Diensten als Kalkanten!
Nach dem Mittagessen ging es zunächst nach Wechmar südlich von Gotha, wo die Bache her stammten und wo von einem rührigen örtlichen Verein liebevoll ein kleines Museum über die Familie Bach mit ihren über hundert Musikern eingerichtet worden ist. Nach der Besichtigung der bemerkenswerten Dorfkirche aus dem 19. Jahrhundert öffnete der freundliche Wirt eines kleinen, eigentlich geschlossenen Cafes extra für uns.
Dann fuhr man nach Ohrdruf, wo der verwaiste neunjährige Bach bei seinem ältesten Bruder Christoph unterkam, Kurrende singen musste und sich durch nächtliches Abschreiben von Noten sich die Augen verdarb. Dort gibt es ein Schloss Ehrenstein, das mühsam renoviert und von der Stadt zu verschiedenen Zwecken genutzt wird bzw. genutzt werden soll.
Nach der Rückfahrt ins Hotel in Mühlhausen, gab es eine Chorprobe unter Jürg mit zwei vierstimmigen Choralsätzen, Ruhestunde und Abendessen „in Normalfolge“, das heißt mit langem und ausgiebigem Schwätzen.
Am nächsten Tag ging es – wieder mit Bus und schönem Wetter – in das 1300-jährige Arnstadt, wo wir die heute so genannte Bachkirche mit ihrer schönen barocken Innenausstattung aufsuchten. (Dort an der Orgel war Bach von der Obrigkeit mit einer „frembten Jungfer“, nämlich mit seiner Cousine Maria Barbara erwischt worden, die er nach seiner Anstellung in Mühlhausen heiratete.) Vor und nach einer Vorstellung der Orgel (in sehr hoher Stimmung!) durch den Kantor Gottfried Preller mit Toccata und Fuge d-moll und einem Mittagessen im „Musikus“ hatten wir Zeit zu anderen Unternehmungen, z. B. zu einem Besuch des Schlossmuseums mit einer großartigen Gobelin-Ausstellung oder zur romanisch-gotischen Liebfrauenkirche.
Zurück in Mühlhausen gab es erst mal eine Ruhepause, dann, für die eine Hälfte unserer Gruppe eine Rundfahrt mit Bähnchen, für die andere Hälfte einen geführten Rundgang zu Fuß durch die prächtige Innenstadt von Mühlhausen mit dem Zielpunkt Kirche Divi Blasii. Dort war J. S. Bach Kantor und Organist, neben seiner dort entstandenen Musik (u. a. Actus tragicus) hat er die Disposition der von ihm verlangten, aber nicht gebauten Orgel hinterlassen. Die jetzige Orgel wurde 1959 von Schuke (Potsdam) genau nach dieser Disposition gebaut. Oliver Stechbart, der jetzige junge und sehr sympathische Kantor, führte uns das Werk vor mit Passacaglia und Fuge c-moll, ein tief beeindruckendes Erlebnis. Wir saßen auf der Orgelempore, und hatten, wie von Stechbart angekündigt, auch akustisch keinen Nachteil. Danach gaben wir unten in der Vierung noch unsere zwei Choralsätze zum Besten, ein bisschen abfallend gegenüber dem Gehörten, aber doch ganz ordentlich – bestätigte uns Jürg.
Danach wieder gemütliches Abendessen im Mirage, und mit dem Abendsegen und anschließendem (langem!) Zusammensitzen endete auch dieser schöne Tag.
Am nächsten Tag, Samstag, in Weimar: Bachs Wirkungsstätte 1703 und 1708 bis 1717.
Alle Fahrgemeinschaften erreichten bei schönstem Wetter Weimar und zum vereinbarten Zeitpunkt die Herderkirche. Hier wartete ein junger Organist auf uns, der sich erst zu einer kleinen (sachlich unzutreffenden !) Replik auf Claus-Jürgen Roepkes wunderbare Erklärung des Altarbildes Lukas Cranachs hinreißen ließ. Uns dann aber an der Orgel eine besondere Freude mit dem großen Präludium D-Dur machte.
Den Nachmittag verbrachten wir dann, je nach Lust und Laune, in Weimar auf den Spuren der Klassiker - oder auch nicht ganz so kulturbeflissen.
Dann der letzte gemeinsame Abend: Nach und schon während des Abendessens Dankadressen an Jürg und Marianne für die Organisation dieser wunderbaren gemeinsamen Tage.
Als Dankeschön aller Beteiligten überreichte Harald Köhler Jürg die Sammlung aller Choralsätze J.S.BACHs als Geschenk, verbunden mit dem Wusch, auf ein gesundes Wiedersehen beim zweiten Teil der BACH-Expeditionen im kommenden Jahr (22.- 26.Juni 2011). Dann geht es nach Anhalt und Sachsen (Köthen und Leipzig).
Nicht ohne Wehmut aber in allerbester Stimmung saßen alle noch lange in großer Runde zusammen – von Problemen oder gar Verlusten bei der Abreise der Beteiligten ist nichts bekannt.
Es war eine tolle Veranstaltung und selbst der »alte Bach« wäre bei so viel Enthusiasmus und Liebe zu seiner Musik vermutlich etwas verlegen gewesen.